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#bibelthema
18.5.2022
12 min
Wer bin ich?
Klaus Güntzschel
Bildunterschrift: Text hier

Dreimal fragt David: „Wer bin ich?“ und es ist sicher kein Zufall, dass diese herausfordernde Frage den Beginn, die Mitte und das Ende seines Lebens markieren.

Die Frage

„Wer bin ich?“ ist eine Art Frage, für die wir heute gar keine Zeit mehr haben. Sollten sich unsere Gedanken doch einmal in diese Richtung bewegen, haben wir in der Regel eine zu hohe Meinung von uns. Unser Medienkonsum dient ganz wesentlich der eigenen Unterhaltung und der unserer Follower. Wir beten uns selbst an – Gott, dem die Anbetung gebührt, haben wir in unserer Miniwelt abgeschafft.

Davids Leben aber wird von dieser Frage regelrecht durchzogen. Sie spiegelt seine Sicht auf sich selbst und die Dinge, die ihm begegnen. Natürlich gab es in seinem Leben Tief- und Rückschläge. Seine „Flohzeit“ – die beständige und jahrelange Flucht vor Saul; seine Fehler, wie zum Beispiel in Ziklag, als seine Vertrauten plötzlich Steine gegen ihn aufhoben; die Flucht vor seinem eigenen Sohn Absalom – wie bitter. Das will keiner von uns erleben. Dennoch ist es nicht ein Klagereim, der immer wieder in Davids Leben auftaucht, sondern diese interessante und vielsagende Frage: „Wer bin ich?“

Sie enthält zwei Botschaften: Zunächst macht sie deutlich, dass David sich unwürdig fühlt. Er sieht sein Versagen, seine Bedeutungslosigkeit, sein Kleinsein. Warum spiele ich überhaupt eine Rolle in Gottes Plänen? Wir hatten eine Küchenfrau auf dem Reiherhals, die man am Ende einer Freizeit für den üblichen Beifall (und das sog. „Jubelgemüse“) regelrecht vor die Menge zerren musste. „Ich habe doch gar nichts gemacht“ – von wegen, nichts gemacht! Sie hatte mehr als zehn Stunden täglich in der Küche gewirbelt – aber sie selbst fand das nicht wichtig, war ärgerlich, dass man sie nun zwanzig Sekunden bejubelte – „Wer bin ich?“

Die zweite Botschaft ist, dass David sich bewusst an das Gute erinnert. Er hätte seine Pechsträhnen zu einem Katastrophenzopf flechten oder seinen Unglücksrabenstatus pflegen können. Aber das tut er bewusst nicht. Er steht staunend vor seinen Glück-Beben und fragt sich dabei: „Wer bin ich?“ Darin steckt dieses „Why me?“, zu dem ich eine kleine Geschichte erzählen muss. Im Zimmer meiner Tochter hing lange ein Poster mit einem weinenden Kind, das eine Eistüte hielt, aus der die Kugel auf dem schmutzigen Boden gefallen war. Darunter die Frage „Why me?“. Warum ist gerade mir diese Katastrophe passiert? David dreht den Spieß um. Er betrachtet seine Eistüte voll mit Schoko, Stracciatella und salzigem Karamell – und fragt sich: „Warum geht es mir so gut?“ „Wer bin ich schon?“ „Warum gerade ich?“

Jugend – Why me?

Wer bin ich, und was ist mein Leben und die Familie meines Vaters in Israel, dass ich Schwiegersohn des Königs werden sollte?
<author>1Sam 18,18<author>

David beginnt schon zu Beginn seines Lebens diese Frage zu stellen. Als er die Tochter Sauls nach der erfolgreichen Schlacht gegen Goliath als Kampfpreis erhalten soll, verschlägt es ihm die Sprache. „Wer bin ich, und was ist die Familie meines Vaters?“ Er denkt an seine Hirten-Jugend-Jahre, an seine unbedeutende Familie und schließt daraus: das hab ich nicht verdient – mir geht es viel zu gut! Ich bin doch der, den sie damals bei der Salbung vergessen hatten – und jetzt Schwiegersohn des Königs?

Vielleicht bist du so jung wie David damals. Vielleicht hat Gott dir gerade eine Frau an die Seite gestellt. Weißt du, dass du sie eigentlich nicht verdient hast, diese Königstochter? Ist es nicht ein unfassbares Geschenk, wenn Gott uns einen Partner schenkt, der unser Leben bereichert und dessen Leben wir bereichern dürfen? Vielleicht bis du wie ich schon über dreißig Jahre verheiratet und deine ganze „Wer-bin-ich?“–Begeisterung ist unter dem ganzen Gewöhnlichkeitsstaub abhanden gekommen? Dann schwing dich aufs Fahrrad, kauf einen fetten Blumenstrauß und überrasche deine Frau mit der Liebeserklärung: „Wer bin ich, dass Gott mir so eine prächtige Frau geschenkt hat!“

Wenn wir in unserer Jugend damit beginnen, die guten Gaben Gottes in unserem Leben wertzuschätzen, dann wird es uns auch später nicht so schwerfallen, zwischen den Gewitterwolken die Sonnenstrahlen hervorblitzen zu sehen.

Auf dem Zenit – Why me?

Wer bin ich, Herr, HERR, und was ist mein Haus, dass du mich bis hierher gebracht hast?
<author>2Sam 7,18<author>

David ist hier in einer völlig anderen Situation als in 1Sam 18. Er ist nicht mehr der unbedarfte Newcomer. Er ist durch Verfolgung und Warten gereift. Er ist König und der HERR hat ihm „ringsumher Ruhe verschafft vor allen seinen Feinden“. Dann gibt Gott ihm eine sehr weitreichende Verheißung. Das ist zu viel für ihn. Er muss sich erst mal setzen „vor dem HERRN“ und es platzt aus ihm heraus: „Wer bin ich?“

Jetzt redet David nicht mehr über das Geschlecht seines Vaters, sondern über sein eigenes Haus. Auf dem Höhepunkt seiner Lebensbahn sitzt er da, schüttelt den Kopf und weiß genau: Das habe ich nicht verdient! „Wer bin ich?“ Er begeht nicht den Fehler Nebukadnezars und schmettert eine Lobeshymne auf seine eigene Weisheit, Macht und Stärke. Nein, der König „sitzt vor dem Herrn“ und weiß, bei wem er sich bedanken muss.

Vielleicht verzeichnet dein Lebenslauf einige erstaunliche Leistungen. Du bist stolz darauf und hältst nicht hinter dem Berg damit. Diese Situation wäre die beste Gelegenheit, ein „Wer bin ich?“ vor dem HERRN auszusprechen. Paulus stellt in 1Kor 4,7 die entwaffnende Frage: „Was aber hast du, das du nicht empfangen hast?“ Wenn es denn so ist, dass wir alles empfangen haben, wie sollten wir nicht gerade auf dem Zenit unseres Lebens dem die Ehre geben, dem wir alles verdanken?

Am Ende – kein Denkmal

Denn wer bin ich, und was ist mein Volk, dass wir vermögen, auf solche Weise freigebig zu sein?
<author>1Chr 29,14<author>

In 1Chr 29 hält David Rückschau. Gideon versagt im Alter und richtet die Götzenbilder wieder auf, die er einst ausgerottet hatte. David bleibt sich auch im Alter treu. Er erinnert an den großen „Geber“ in seinem Leben. Der Tempel, das war seine Leidenschaft. Der Bundeslade einen Wohnort zu verschaffen, das war sein Lebensziel. Psalm 132 legt davon Zeugnis ab. Als ihm der Bau verwehrt wird, schafft er zumindest das Baumaterial für dieses gigantische Projekt herbei. Er motiviert das Volk zu geben und öffnet auch selbst seine Schatzkammern. Als alles bereitliegt, erliegt er nicht der Eitelkeit, sich selbst zu feiern, sondern betet wieder: „Wer bin ich?“

„Von dir kommt alles, und aus deiner Hand haben wir dir gegeben“ – wie gut, wenn dieser Vers einen festen Platz in unserem Haus hat. „Von dir kommt alles“ – da bleibt kein Raum für die eigene Ehre, kein Platz für ein lässiges Schulterklopfen. Paulus drückt es so aus: „Wo ist nun der Ruhm? Er ist ausgeschlossen worden“ (Röm 3,27).

Wenn wir unser Leben beenden, dann tun wir gut daran, weder unsere Enkel wie Noah zu verfluchen, noch „einigen vom Volk Gewalt anzutun“ wie Asa. Es geziemt uns ein demütiges, dankbares und freudiges „Wer bin ich?“. David hat diese Tradition bis zum Ende gewahrt. Vielleicht war das eines der geistlichen Geheimnisse, die ihm den Titel „ein Mann nach dem Herzen Gottes“ einbrachten.

Klaus Güntzschel
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